Das Laudegg-Fähnlein ist die Bezirksstandarte des Schützenbezirkes Landeck
standartelandeck-2 (c) Hartwig RöckDie Schlacht bei Calliano am 10. August 1487
Zur Geschichte des Laudegg-Fähnleins von 1496
zusammengestellt von Olt. Dr. Gerhard Gstraunthaler
An den Grenzen zwischen dem Fürstentum T r i e n t , das unter dem Schutz Tirols stand, und der Republik V e n e d i g, die das früher zu Trient gehörige Gebiet von Rovereto und Riva seit 1415 und 1440 beherrschte, gab es häufig größere und kleinere Streitigkeiten.
Da ließ sich der willensschwache E r z h e r z o g  S i g m u n d („der Münzreiche“) im Fühjahr 1487 gegen den Willen des Landtages, jedoch unter dem schlechten Einfluß seiner zahlreichen Räte und Günstlinge zu einem unüberlegten Krieg mit Venedig hineinziehen. Von der tirolischen Landschaft verlangte Sigmund weder Geld noch Krieger. Man behalf sich mit den herzöglichen Vasallen und mit schwäbischen und schweizerischen Abenteurern und Söldnern. Es waren aber auch Aufgebote der Tiroler Gerichte mit dabei.
Noch bevor das herzögliche Heer sich gesammelt hatte, fielen die Venetianer im Bistum Trient ein, konnten aber vom Heer des Bischofs von Trient zum Rückzug gezwungen werden. Alsbald rückten die Scharen Erzherzog Sigmunds unter dem Oberbefehl von G a u d e n z
v o n  M a t s c h an und belagerten die Stadt Rovereto. Nach tagelanger Beschießung und wiederholten Anstürmen brachte man die Stadt und das Kastell zu Fall. Für die Mannschaft des Gerichtes L a n d e c k  ist sogar noch eine schriftliche Belobigung seitens des tirolischen Feldobristen für ihre damalige Haltung überliefert:

G r a v e  G a u d e n z  v o n  M e t s c h  O b r i s t e r  V e l d h a u b t m a n n  an die weysen, erbarn und beschaiden gemainen gerichtsleut des gerichtes L a n n d e g k meinen gueten gunnern. - Mein willig dinst zuvor. Nachdem ir meinem gnedigisten herren zue gevallen ain anzal fueßvolck in seiner gnaden v e l d  v o r  R o v e r e i d gehalten, dieselben villaicht lenger ausbeliben, dann ir vermaint hättet und deshalben schaden geliten und genomen, daz alles meinem gnedigisten herrn und euch zue guet beschehen. Nu haben sich die euren willig, vleißig und redlich gehalten, des ich euch und sy bey meinem gnedigisten herren beruemen und auch eure schaden zu widerlegen beholfen sein. Geben zu Rovereid an sand Margareten abend anno 1487.

Dieser erste kühne Angriff der Tiroler hatte dem Senat von Venedig große Furcht eingejagt und ihn zu energischer Gegenwehr angespornt. Er bot seine ganze verfügbare Macht auf und schickte sie in Eilmärschen den Tirolern entgegen. Die venetianischen Truppen standen unter dem Kommando des berühmten Feldherrn R o b e r t  v o n  S a n S e v e r i n o. Dieser rückte sogleich weiter vor und besetzte das rechte Etschufer. Gaudenz von Matsch stellte sich diesem mutvoll entgegen. Mehrere Wochen lagen sich beide Heere gegenüber, ohne daß sie sich gegenseitig angriffen.
Im Sommer 1487 zog plötzlich Gaudenz von Matsch mit seinen Truppen ab. Dieses sein Verhalten war so eigentümlich, daß man schon von Verrat sprach, und davon, er sei von den Venetianern bestochen worden. Nun war das Land dem Feind preisgegeben.
In dieser Not rief Erzherzog Sigmund den Landsturm. Zum Glück war dem Herzog ein hervorragender Kriegsmann, der Trientiner Stadthauptmann F r i e d r i c h  v o n  C a p p e l, treu geblieben. Dieser zog ein kleines Heer, rund 300 Reiter und etliche Fähnlein Fußvolk, das durch den Landsturm der Umgebung verstärkt war, in der Stadt Trient zusammen.

Hartwig Röck / castel-beseno / Zum Vergrößern auf das Bild klicken
Castel Beseno mit der Ebene von Calliano, wenige Kilometer nördlich von Rovereto

Durch den überraschenden Abzug des Gaudenz von Matsch befürchtete San Severino anfänglich eine Kriegslist und rückte deshalb nur langsam und mit großer Vorsicht nach Norden vor. Den Weg nach Trient beherrschten zwei Schlösser, N o m i und S t e i n a m
C a l l i a n. Schloß Nomi ergab sich gleich bei Erscheinen der Venetianer. Schloß Stein am Callian, dessen tapfere Besatzung sich zur Verteidigung rüstete, wollte San Severino möglichst schnell bezwingen. Darum stellte er an der Nordseite der Festung, wo sie am leichtesten anzugreifen war, die Hauptmasse seines Heeres auf, während zwei kleinere Abteilungen das rechte und linke Etschufer bei Nomi und Volano besetzten und durch eine Schiffsbrücke miteinander in Verbindung standen. Die fliehenden Reste einer Schar Bergbewohner, welche die Venetianer, ihrem Angriff zuvorkommend, überrascht und völlig aufgerieben hatten, brachten den Trientinern die erschreckende Nachricht vom Anzug des feindlichen Heeres. Da beschließt Friedrich von Cappel, der schon in den glorreichen Schweizerschlachten bei Granson und Murten mitgefochten hatte, nichts Geringeres als den Feind in seiner unvorteilhaften Stellung bei Calliano anzugreifen. Es gelingt ihm nicht nur den tapferen Edelmann G e o r g  v o n  P i e t r a p i a n a, der zu Hilfe herbeigeeilt war, sondern auch die Trientiner selbst durch sein mutvolles Auftreten für seinen Plan zu gewinnen. Pietrapiana übernimmt es, den Landsturm der Nachbarschaft, namentlich des Gerichtes B e s e n o aufzubieten, und die Höhen oberhalb von Calliano zu besetzen. Währenddessen rückte Cappler selbst auf der Landstraße mit seiner nicht viel über 1000 Mann starken Truppe dem Feind entgegen. Kaum hat sein Vortrab mit dem Feind Fühlung bekommen, erscheint schon der Landsturm auf den Höhen, welche Calliano und das feindliche Lager beherrschen. Heer und Landsturm stürzen sich nun gleichzeitig unter lärmenden Trommelwirbel und Trompetenschall auf den Feind. Durch den plötzlichen Überfall überrascht, durch das furchtbare Getöse und die gedeckte Stellung der Tiroler über deren Anzahl getäuscht, werden die Venetianer von panischem Schrecken erfüllt. Die zunächst Angegriffenen wenden sich alsbald zur Flucht. In grenzenloser Verwirrung, Reiter und Fußvolk durcheinander, eilen sie mit dem Ruf „al ponte ! al ponte !“ der Etschbrücke zu. Vergebens wirft sich ihnen San Severino mit den Kerntruppen entgegen, vergebens feuert er diese zur Tapferkeit an, vergebens stürzt er sich ihnen voran in das dichteste Schlachtgetümmel. Die Menge hört nicht mehr auf seine Worte, nur Wenige halten noch bei ihm aus. Da erscheint der Nachtrab des tirolischen Heeres, die Trientiner, die sich etwas verspätet hatten, und vereinigen sich mit den unaufhaltsam vordringenden Kampfgenossen. Der Kampf ist entschieden, die tapfersten Venetianer fallen, San Severino sucht und findet seinen Tod in den Wellen der Etsch. Hunderte der Seinen teilen dasselbe Schicksal.
Der Kampf, der am 10. August stattfand, hatte den ganzen Tag gedauert. Die einbrechende Dunkelheit, die großen Verluste und die eigene Erschöpfung verhinderten, daß die Niederlage der Venetianer noch größer wurde. Doch verlor der Feind wohl mehrere tausend Männer, die Tiroler nur bei 500 Mann. Große Beute belohnte die Sieger, noch mehr aber das Jubelgeschrei, womit sie in der Stadt Trient empfangen wurden. Der Magistrat beschloß zum Andenken an diesen ruhmvollen Tag jeden kommenden 10. August festlich zu begehen. Erzherzog Sigmund erbaute bei Calliano eine Gedenk-Kapelle und erhob Cappler in den Adelsstand.

Im Jahre 1496 verlieh dann K a i s e r  M a x i m i l i a n mit Urkunde von Mittwoch nach Maria Himmelfahrt den „Oberen Gerichtlern“ von Laudegg für ihre tapferen Taten anläßlich der Schlacht bei Calliano ein Gerichtsfähnlein ... daz Sy die Veind am Galian in verganngner Zeit aus vnnserm Land der Graffschafft Tirol, gewaltigelichen mit sambt andern zu treiben vnd weg zu slagen verholffen ..... mit ainem Fendlein Rot weyss blab nach lenng durchaus getailt mit sand Andres Creucz enmiten, vber Zwerch vergult darynn ...

Damit ist das Laudegg-Fähnlein von 1496 eine der ältesten Schützenfahnen Tirols!
Weiters steht in der Verleihungsurkunde, „ ... daß sie und ihre Nachkommen, allweg wo sie zu Kriegen oder sonst zu ernstlichen tapferen Sachen ausziehen, oder die Ihrigen schicken werden, ein solch Fähnlein mit den dreien Farben und dem Kreuz frei führen, dazu sie auch alles Recht, Gnad und Freiheit haben .....“. Bereits 1909, zum 100-jährigen Jubiläum des Landsturms von 1809 schreibt Karl Inama v. Sternegg: „Warum rücken die Laudegger nicht mit dieser Fahne aus?“ „Wissen sie nichts mehr davon?“ „Wie ehrwürdig wäre dieses Banner, das sie von ihrem höchsten Kriegsherrn erhielten, weil sie für ihn und den eigenen Herd so mannhaft gestritten?“ „Und eigentlich müßten sie es führen!“, setzt der Heraldiker Sternegg abschließend noch hinzu.
Erst als nach dem 2. Weltkrieg die Schützenkompanien neu aufgestellt wurden, wurde vom damaligen Bezirkskommandanten Mjr. Josef Roilo eine getreue Nachbildung des Laudegg-Fähnleins angefertigt, und am 4. Juli 1954, anläßlich des 3. Bezirksschützenfestes in Landeck gesegnet und zum Bezirksfähnlein erhoben. Dieses Fähnlein wurde von der Schützenkompanie Ladis als Traditions-Kompanie des Gerichtes Laudegg aufbewahrt. Heute befindet sich dieses Fähnlein im Schützenzimmer des Bezirksmuseums auf Schloß Landeck. Zum 500-Jahr-Jubiläum 1996 hat die Bezirksversammlung des Schützenbezirkes Landeck einstimmig beschlossen, das Laudegg-Fähnlein getreu der Erstbeschreibung in der Verleihungsurkunde vom 17. August 1496 als Wappenschild stilisiert und in Form einer Standarte anfertigen zu lassen. Darüber befindet sich die Inschrift Laudegg und die beiden Jahreszahlen 1496 - 1996, darunter der Schriftzug Schützenbezirk Landeck.
Bei der Gestaltung der Rückseite der neuen Bezirksstandarte wurde einer alten Schützentradition gefolgt, wonach neben dem weltlichen Symbol auf der Vorderseite einer Schützenfahne, ein religiöses Motiv auf der Rückseite angebracht wird. Im Jubiläumsjahr des Herz-Jesu-Gelöbnisses von 1796 war es natürlich naheliegend, ein Herz-Jesu-Motiv zu wählen, mit den Jahreszahlen 1796 - 1996 und wieder mit dem Schriftzug Schützenbezirk Landeck.

Hartwig Röck / standartelandeck-1Hartwig Röck / standartelandeck-2
Die Bezirksstandarte des Schützenbezirkes Landeck - eine Nachbildung des Laudeggfähnleins von 1496, ergänzt um die Darstellung des Herzen Jesu.

Die neue Bezirksstandarte des Schützenbezirkes Landeck wurde beim Bezirksfest am 7. Juli 1996 in Grins feierlich gesegnet und ihrer Bestimmung übergeben. Fahnenpatin ist Frau Wilma Steinwender, die Gattin unseres Ehrenlandeskommandanten.
Die neue Bezirksstandarte wurde wieder von der Schützenkompanie Ladis in treue Verwahrung genommen. Die Kompanie stellt mit Fhr. Helmut Heiseler auch den Bezirksfähnrich, der dieses Ehrenamt seit 15 Jahren mit großer Umsicht und Verläßlichkeit ausübt.

Olt. Gerhard Gstraunthaler
Bildungsoffizier des Schützenbezirkes Landeck



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Quellen:
Josef Egger: Geschichte Tirols von den ältesten Zeiten bis in die Neuzeit. Innsbruck 1872.
Dekan Johann Lorenz: Die Laudecker Sturmfahne. 1931.
Otto Stolz: Geschichte des Landes Tirol, Bd. 1. Innsbruck 1955.
Otto Stolz: Wehrverfassung und Schützenwesen in Tirol von den Anfängen bis 1918. Innsbruck 1960.
Josef Fontana et al. Geschichte des Landes Tirol, Bd. 1. Innsbruck 1985.
Emmerich Steinwender: Chronik des Oberinntaler Schützenregiments.